Tomatenanbau in Zeiten des Jordanvirus – Anbauen mit ToBRFV: Eine neue Realität #2

So kann die Virusverbreitung nach der Erkennung begrenzt werden

So kann die Virusverbreitung nach der Erkennung begrenzt werden

„Das Virus verbreitet sich über Pflanzen, Wasser, Menschen, Gerätschaften und die Luft.“
Harmen HummelenVegetables By Bayer Field Quality Lead

Sobald ein Befall mit dem Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV), auch Jordanvirus genannt, festgestellt wird, müssen Anbauer das richtige Gleichgewicht finden. Die üblichen Hygienestandards fortsetzen oder zusätzliche Hygienemaßnahmen ergreifen? Dieser Artikel soll helfen, angemessen zu reagieren und herauszufinden, welche Maßnahmen in Ihrem Betrieb hilfreich sein können – und warum. Wenn die Verbreitung des Virus nach Entdeckung des Befalls verlangsamt wird, stehen die Chancen auf eine bessere Ernte und einen höheren Ertrag besser, als wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. „Das Virus verbreitet sich über Pflanzen, Wasser, Menschen, Gerätschaften und die Luft“, so Harmen Hummelen, Field Quality Lead bei Vegetables By Bayer. In diesem Artikel beschreibt er sinnvolle Maßnahmen.

Grundlagen
Es gibt drei grundlegende Maßnahmen:

  1. Ermöglichen Sie ein gutes Pflanzenwachstum, indem Sie auf die richtigen klimatischen Bedingungen achten und Pflanzenstress reduzieren.
  2. Achten Sie auf die Einhaltung grundlegender Hygienestandards. Neben anderen Maßnahmen bedeutet das zum Beispiel: Hände waschen, Gerätschaften reinigen und den direkten Kontakt mit infizierten Pflanzen von Mensch und Gerätschaften vermeiden.
  3. Verhindern Sie, dass sich das Virus im Gewächshaus verbreitet. ToBRFV wird mechanisch übertragen, es kann also auf allen Arten von Materialien und Geräten zur nächsten Pflanze „trampen“. Diese Transportwege müssen so stark wie möglich blockiert werden.

In diesem Artikel geht es in erster Linie um Punkt 3.

Der Mensch und die Virusübertragung
Es besteht ein hohes Risiko, dass das Virus von Menschen übertragen wird. Nicht bei jeder Person besteht das gleiche Risiko, und nicht jede Person sieht sich selbst überhaupt als Risiko. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie sich das Virus verbreitet, ist der erste Schritt im Umgang mit dem Virus.

Die größte Gruppe, die täglich mit der Pflanze zu tun hat, bilden die Beschäftigten. Möglicherweise gibt es Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte. Manche arbeiten in unterschiedlichen Gewächshäusern, nutzen jedoch ein gemeinsames Auto oder leben im selben Haus. Möglicherweise mischen sich ihre persönlichen Gegenstände, beispielsweise stehen ihre Schuhe nebeneinander oder werden sogar untereinander getauscht. Dies ist ein Beispiel, wie das Virus von einem zum nächsten Gewächshaus wandern kann – außerhalb des Gewächshauses über Kleidung oder Schuhe. Manche Mitarbeiter arbeiten auch in mehreren Betrieben, manchmal sogar am selben Tag.

Möglicherweise bauen Mitarbeiter Tomaten zuhause an oder bringen für die eigene Mittagspause im Geschäft gekaufte Tomaten mit. Diese Risiken müssen gegenüber den Mitarbeitern angesprochen und nach Möglichkeit reduziert werden.

Auch Eigentümer und Geschäftsführer können ein hohes Risiko bedeuten, wenn sie Hygienevorschriften umgehen, um „mal eben schnell“ etwas zu erledigen. Doch jeder Kontakt mit Pflanzen, Gerätschaften oder Strukturen kann dazu führen, dass das Virus aufgenommen und verschleppt wird. Geschäftsführer oder Eigentümer „schauen nur mal kurz vorbei“ – das kann schon ausreichen, dass das Virus von einer auf eine andere Pflanze übertragen wird.

Externe Besucher gelten immer als hohes Risiko, insbesondere, wenn diese Menschen auch andere Betriebe für Tomatenanbau oder allgemein Gartenbaubetriebe besuchen. Manche sind sich der Risiken in vollem Umfang bewusst und treffen sinnvolle Vorkehrungen. Andere Besucher, beispielsweise externe Handwerker, leben nicht in dieser Pflanzen- bzw. ökologischen Welt und erkennen diese Risiken gar nicht. Beide Gruppen sollten strenge Vorschriften einhalten, bevor sie einen Betrieb betreten. Beispielsweise dürfen Gerätschaften von anderen Betrieben nur nach einer gründlichen Reinigung mit in das Gewächshaus genommen werden.

Visualisierung der Transportwege des Virus
Das Virus verbreitet sich über Pflanzen, Wasser, Menschen, Gerätschaften und die Luft. Das Virus ist nicht sichtbar, daher haben Beschäftigte möglicherweise Schwierigkeiten, sich diese Verbreitung bildlich vorzustellen. Daher kann es hilfreich sein, eine Zeichnung des Gewächshauses anzufertigen und zu markieren, welche Routen es für Pflanzen, Menschen, Wasser und Gerätschaften gibt, und auch einzuzeichnen, welche Türen benutzt werden.

All diese Schritte können aufgelistet werden, um im Anschluss daran eine Risikobewertung vorzunehmen, Sie als Anbauer oder Experte sind sich dieser Maßnahmen bewusst, doch es ist ausgesprochen sinnvoll, auch andere Menschen – darunter Beschäftigte und Büromitarbeitende – hinzuzunehmen. So werden Risiken leichter erkennbar und die Gefahr, dass manche Prozessschritte vergessen werden, wird kleiner.

Wenn die Liste ein- oder zweimal im Jahr überprüft wird, werden die Menschen immer wieder an die Risiken erinnert und die Risikobewertung bleibt aktuell. Die Überprüfung kann auf Ebene der Geschäftsführung vorgenommen werden, doch es ist sehr hilfreich, Beschäftigte einzubeziehen, um zu erfahren, wie die Realität im Gewächshaus aussieht. Beschäftigte, die bei der Risikobewertung helfen, fühlen sich auch mehr eingebunden und passen besser auf. Sie können eine Art Hygienebotschafter des Gewächshauses werden.

Unten sehen Sie ein Beispiel für die Zeichnung eines Gewächshauses. Die Linien stehen für begehbare Wege, auch Türen und Desinfektionsschleusen sind eingezeichnet. Wenn Sie diese Übersicht über das Gewächshaus auf ein Plakat drucken und in einem Bereich wie zum Beispiel der Kantine aufhängen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen auch darüber sprechen. Je mehr Menschen über dieses Thema sprechen, desto mehr werden sie dafür sensibilisiert, fühlen sich mehr eingebunden und bringen sich besser ein.

virus spread tobrfv Zeichnung: Beispiel für eine Zeichnung eines Gewächshauses mit allen Routen und Transportwegen für Menschen und Gerätschaften. Mithilfe einer solchen Übersicht lässt sich leichter ermitteln, auf welchen Wegen ein Virus in das Gewächshaus eingeschleppt wird und sich verbreitet.

Beispieltabelle Risikobewertung
Unten sehen Sie einige Beispiele für Risiken samt Punktzahlen mit Blick auf Wahrscheinlichkeiten, Auswirkungen und Risikolevel (1 = niedrigstes Risiko, 5 = höchstes Risiko). Jedes Unternehmen sollte seine eigene Risikoliste führen und dazu Wahrscheinlichkeiten, Auswirkungen und Risikolevel ermitteln. Das Gesamtrisiko lässt sich ermitteln, indem die Wahrscheinlichkeiten mit den Auswirkungen multipliziert werden.

Risiken

Wahrscheinlichkeit
(1-5)

Auswirkungen
(1-5)

Gesamtrisiko
(1-25)

Risikolevel

Jungpflanzen

2

5

10

Medium

Kulturberater

3

4

12

Medium

Beschäftigte (inkl.
Zeitarbeitern)

4

5

20

Hohe

Vögel

2

3

6

Tief

Etc.

 

 

 

 

Wenn Risiken bekannt sind, können Maßnahmen festgelegt und umgesetzt werden.

Zusätzliche Maßnahmen nach Virusbefall
Händewaschen und Schuh- bzw. Kleidungswechsel gehören mittlerweile in vielen Betrieben zu den grundlegenden Hygienemaßnahmen. Dies ist auch ein Kostenfaktor und es lässt sich darüber streiten, ob man diese Maßnahmen das gesamte Jahr über befolgen muss (allerdings sollte man sich auch gut überlegen, ob die potenziellen Kosten für Pflanzen, die man an das Virus verliert, nicht höher ausfallen als die Kosten für gute Hygienemaßnahmen). Strengere Regeln in den ersten drei bis fünf Monaten nach der Erstinfektion sind ein guter Kompromiss. Nach ein paar Monaten hat sich das Virus möglicherweise so weit verbreitet, dass die Präventionsmaßnahmen heruntergefahren werden können. Dies hängt auch davon ab, für welches Kosten-Risiken-Verhältnis sich ein Unternehmen entscheidet.

Am Anfang ist es sicherlich sinnvoll, die ersten infizierten Stellen zu separieren. Eine Hypothese lautet, dass das Virus ausgehend von der Erstinfektion pro Woche zwei bis vier Reihen wandert, wenn keine Hygienemaßnahmen getroffen werden. Wenn in diesen Reihen zusätzliche Hygienemaßnahmen getroffen werden und nur bestimmte Menschen in diesem Bereich arbeiten, kann die Verbreitung letztlich verlangsamt werden.

Laut Erfahrungsberichten folgen auf einen Hotspot oft einige Wochen später weitere Hotspots, denn vermutlich ist das Virus von dem ersten Hotspot an andere Stellen gewandert, bevor ein Befall erkennbar wurde. Wird der erste Hotspot entfernt, entstehen möglicherweise auch weniger Hotspots in der zweiten Runde.

Bei Fällen einer späten Infektion (z. B. sechs Monate nach dem Anpflanzen und im Sommer), konnten wir beobachten, dass sich die Verbreitung der Infektion „stoppen“ lässt, indem der Hotspot samt den Pflanzen in den umliegenden drei bis sechs Reihen entfernt werden. Diese Maßnahme mag sehr rigoros erscheinen, doch auf diese Weise wird die Verbreitung aufgehalten, da es keine Pflanzen mehr gibt und die Beschäftigten nicht mehr in diese Reihen gehen und damit nicht kontaminiert werden. Damit sinkt auch das Risiko der Sekundärverbreitung. Bei älteren Pflanzen ist es möglich, dass man sich bei der Wahl zwischen Entfernen der Pflanze und zusätzlichen Hygienemaßnahmen für das Entfernen einiger Reihen entscheidet.

Gesonderte Blöcke
Eine sinnvolle grundlegende Maßnahme ist die Unterteilung des Gewächshauses in Blöcke, wobei in jedem Block andere Menschen arbeiten und andere Gerätschaften eingesetzt werden. Je weniger Kontakte es zwischen den einzelnen Blöcken gibt, desto geringer ist das Risiko, dass sich das Virus über den gesamten Betrieb verbreitet. Wie groß diese Blöcke sind, hängt von der Größe Ihres Unternehmens ab. Auch der Grundriss des Gewächshauses spielt dabei eine Rolle: bei einer quadratischen Fläche sind möglicherweise vier Blöcke ideal. In vielen Fällen sind die Hauptwege für Mensch und Ernte identisch. Das ist nicht optimal, reduziert jedoch den Austausch von Viren.

Sofern möglich, sollten Erntewägen und Körbe immer nur für einen Block vorgesehen sein. Diese Arbeitsweise ist nicht ganz unkompliziert, und die optimale Größe eines Blocks scheint zwischen einem und fünf Hektar zu liegen. Das Blockkonzept ist möglicherweise nicht nur sinnvoll, um das Virus unter Kontrolle zu halten, sondern auch, um nur mit anderen Schädlingen oder Krankheiten betroffene Stellen zu behandeln.

Eine Infektion mit dem Jordanvirus ist schnell geschehen. Vorkehrungen zu treffen und vorbereitet zu sein, ist bereits der erste Schritt hin zu wirkungsvollen und angemessenen Maßnahmen. Eine Risikobewertung und das Sensibilisieren der Menschen können diesen Ansatz unterstützend begleiten. Grundsätzlich gilt: Je später eine Infektion beginnt und je weniger sich das Virus ausbreitet, desto besser ist es für die Pflanzen und den Ernteertrag.

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